Lukas Oeding (16) bester Trial-Nachwuchsfahrer im Land
Oyten - Von Petra Holthusen
Manchmal wäre Lukas gerne Spanier. Oder wenigstens Süddeutscher. In deren Gefilden ist es nämlich weit populärer, auf zwei geländegängigen Rädern mit minutiös getimten Gasstößen dreißig Meter hohe Steilhänge zu erklimmen, über bemooste Felsbrocken zu klettern oder von meterhohen Hindernissen zu jumpen, dass es in der Federung kracht. „Aber bei uns“, bedauert Lukas, „ist Motorrad-Trial leider eine totale Randsportart.“ Dabei gilt Trial als Hohe Schule des Motorsports, die die perfekte Beherrschung von Körper und Maschine verlangt. Und darin ist der 16-jährige Oytener Meister.
Gerade hat der Niedersächsische Fachverband für Motorsport (NFM) Lukas Oeding als besten Nachwuchsfahrer des Jahres ausgezeichnet. Als einziger Jugendlicher hatte er die zwölf Läufe der Saison in der Klasse 3 der „Spezialisten“ bestritten, der zweitschwersten Spur auf Landesebene, und sich hier den Vizemeister-Titel erkämpft. Nächste Saison steigt Lukas in Spur 2 auf. Insgesamt gibt es beim Motorrad-Trial sechs Leistungsklassen. Lukas’ Traum und Ziel: die Spur 1. In der wird um den Titel des Deutschen Meisters gefahren.
Das Faible für Motorsport wurde Lukas in die sprichwörtliche Wiege gelegt. Mutter Iris und Vater Rainer sind leidenschaftliche Motorradfahrer, und als die erste Trial-Maschine ins Haus kam, begleitete Lukas seinen Vater zum MSC Wörpetal, dem nächstgelegenen Motorsportclub mit Trial-Gelände in Steinfeld Richtung Zeven. Den sportlichen Kontrapunkt in der Familie Oeding setzt übrigens Leon (13) als guter Fuß- und Handballer.
Lukas startete mit Fahrrad-Trial, wurde als Neunjähriger Niedersachsenmeister und sattelte vor drei Jahren um auf ein 80-ccm-Vereinsmotorrad. Ein halbes Jahr später saß er auf der ersten eigenen 125-ccm-Maschine, heute fährt er besser als sein Trainer und alle anderen im MSC Wörpetal.
Aber weil Steinfeld nicht um die Ecke liegt, kann Lukas meist nur am Wochenende trainieren, wenn ein Elternteil den 16-Jährigen samt Maschine auf dem Hänger dorthin fährt. „Wenn ich könnte, würde ich jeden Tag fahren. Das macht süchtig“, sagt Lukas. „Wenn wir an einer Autobahnbaustelle vorbeifahren und ich die Berge von gebrochenen Steine sehe, würde ich am liebsten aussteigen und das Motorrad abladen...“ Steine und hohe Erdhügel mit Stufen sind die Hindernisse, über die er sein Spezialmotorrad am liebsten hüpfen lässt.
Im Wettbewerb führt die Geschicklichkeitsprüfung auf zwei Rädern in schwerem Gelände durch zehn eng abgesteckte Sektionen. Je nach Leistungsklasse müssen die verschiedenen Hindernisse auf vorgegebenem Weg bewältigt werden, ohne zum Stillstand zu kommen, die Füße abzusetzen oder gar zu stürzen. Dann hagelt’s Strafpunkte. Es geht nicht um Geschwindigkeit, sondern um das langsame, zentimetergenaue Manövrieren von Vorder- und Hinterrad im Bestreben, die Sektion mit null Punkten, also fehlerfrei zu absolvieren. Gefragt sind Technik, Koordination, Konzentration und auch Kondition, denn gefahren wird nur im Stehen. Neben einer Portion Talent sei alles eine Frage des Trainings, meint Lukas. Die Woche über trainiert der Neuntklässler in einer Fitness-AG im Schulzentrum, beim Laufen und beim Fahrrad-Trial. Das Jugendzentrum hat neben der Skaterbahn einen kleinen Trial-Parcours angelegt, auf dem Lukas Oeding auch andere Kinder und Jugendliche trainiert, die sich im Jugendzentrum Räder leihen können.
Auf der Straße ist der 16-Jährige noch nicht motorisiert unterwegs: „Ich dürfte ja höchstens Roller fahren – aber das finde ich langweilig.“ Wen wundert’s. Dafür fiebert er dem Frühjahr entgegen, wenn er ein halbes Jahr vor seinem 17. Geburtstag mit Auto- und Motorradführerschein loslegen kann.
Unterm Weihnachtsbaum wird Lukas keine großen Geschenke finden – Motorrad-Trial ist das ganze Jahr über ein teures Hobby. Seine neue Spezialmaschine – 70 Kilo leicht, mit extrem belastbarer Federung, großem Lenkereinschlag und einem Motor, der auf die leiseste Drehung am Gasgriff reagiert – kostete letztes Jahr 5000 Euro. Beanspruchung und Verschleiß im Training und in den Rennen zwischen Flensburg und dem Harz sind enorm; entsprechend groß ist der Bedarf an Ersatzteilen und Reifen. Für den optimalen Grip müssten eigentlich so sieben Reifensätze à 200 Euro im Jahr her, „aber das ist ohne einen Sponsor nicht zu machen“. Nach dem sucht Lukas noch. Nicht ganz leicht in einer Nischen-Sportart. Manchmal wäre er eben doch gerne in Spanien zu Hause, wo Trial ganze Hallen füllt. Und die Spanier haben sogar ein Abo auf den Weltmeistertitel...
Videoclips von Lukas in Aktion gibt’s im Internet: Trialfreakz